28/01/2025 0 Kommentare
KRIPPEN- UND PASSIONSSPIELE
KRIPPEN- UND PASSIONSSPIELE
# Gemeindeleben

KRIPPEN- UND PASSIONSSPIELE
DIE FROHE BOTSCHAFT SPIELEND VERKÜNDIGEN
Am Heiligen Abend 1976 war ich einmal römischer Soldat.
Mit einem Besenstiel als Speer und einem aus Pappmaché gebastelten Helm. Zum Glück gibt es keine Fotos davon. In Erinnerung geblieben ist mir mein damaliger Auftritt im Krippenspiel meiner Dorfkirche aber trotzdem.
Vielleicht deshalb, weil ich als 13-jähriger Konfirmand selbst zum Darsteller der Weihnachtsgeschichte wurde, wenn auch ein recht unbedeutender. Jahre später wechselte ich die Seiten und übte dann mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden die alljährlichen Krippenspiele für den Familiengottesdienst am Heiligen Abend ein. Wobei ich jedes Mal dieselbe Nervosität vorher und die umso
größere Erleichterung und Freude hinterher erlebte. Ob als Konfirmand oder als Pastor, als römischer Soldat, Maria, Josef, Hirte oder König – mit unseren alljährlichen Krippenspielen führen wir eine jahrhundertealte Tradition fort. Schon im 10. Jahrhundert gab es die ersten Krippenspiele.
Das wird hoffentlich so bleiben, auch wenn Krippenspiele heutzutage nicht unumstritten sind. So erregte eine Entscheidung der Stadt Worms 2014 deutschlandweites Aufsehen. Die Stadtverwaltung untersagte ein geplantes Krippenspiel der evangelischen Luther- Gemeinde auf dem Weihnachtsmarkt, was vom Mainzer Verwaltungsgerichts bestätigt wurde. Das Krippenspiel verletze die Rechte Dritter auf einen ungestörten Besuch des Weihnachtsmarktes. Das kann man nachvollziehen – oder auch nicht.
Aber nicht nur die Geburts-, auch die Leidensgeschichte Jesu wurde und wird als geistliches Schauspiel, als „Passionsspiel“ aufgeführt. Das hierzulande bekannteste ist das in Oberammergau. Wer nicht tief in die bayerische Provinz reisen möchte, kann sich ein jährliches Passionsspiel auch im Kloster Malgarten bei Bramsche im Osnabrücker Land anschauen. Um die Passionsspiele in Oberammergau zu erleben, braucht es allerdings noch etwas Geduld. Sie werden nur alle zehn Jahre auf die Bühne gebracht - zuletzt, wegen der durch Corona bedingten Verschiebung, im Sommer 2022. Ich hatte damals
die Gelegenheit, mir das anzuschauen und bin seitdem ein großer Fan. Die nächsten werden 2030 aufgeführt. Die Geschichte der Passionsspiele in Oberammergau ist unmittelbar mit der Pest und der Zeit des Dreißigjährigen Krieges verbunden. Als die Pest zahlreiche Einwohner von Oberammergau das Leben kostete, gelobten einige dieser Bürger im Jahre 1633, alle zehn Jahre die Passionsspiele
aufzuführen, wenn das Leiden und die Pest den Ort verlassen würden. Der Überlieferung nach forderte die Seuche in Oberammergau nach diesem Gelöbnis keine weiteren Opfer mehr. So begannen die Oberammergauer Bürger im Folgejahr, 1634, ihr Gelöbnis einzulösen. Seitdem führen sie alle zehn Jahre „Die Passionsspiele“ auf; zusätzlich zu dem Rhythmus auch 2034 zum 400-jährigen Jubiläum.
Die über 2.000 Mitwirkenden rekrutieren sich aus den Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde.
Nur Personen, die in Oberammergau geboren sind oder seit mehr als 20 Jahren dort leben, dürfen teilnehmen. Alle Mitwirkenden, von den Schauspielern über den Chor und das Orchester, bis hin zu
den Platzeinweisern im Theater, sind Einheimische. Jede Hauptrolle wird doppelt vergeben.
Damit die Darstellerinnen und Darsteller glaubhaft ihre Rolle spielen können, gilt ab einem Jahr vor der nächsten Aufführung ein Haar- und Barterlass, der Friseurbesuche verbietet, ausgenommen sind nur die Darsteller der Römer. Es treten auch lebendige Tiere auf: Hühner, Gänse, Esel, Pferde, sogar ein Kamel. Dauert ein gewöhnliches Krippenspiel zwischen 15 und 30 Minuten, zieht sich das Oberammergauer Passionsspiel mit seinen elf Akten über mehrere Stunden. Um das Sitzfleisch des Publikums damit nicht zu überfordern, gibt es zwei Teile. Der erste beginnt um 14.30 Uhr und dauert zweieinhalb Stunden. In der anschließenden dreistündigen Pause strömt das Publikum zurück in die
Gasthäuser und Pensionen, um sich zu stärken und vor dem zweiten Teil ein wenig auszuruhen.
Pünktlich um 20 Uhr beginnt der zweite Teil, der gegen 23 Uhr endet. Das Oberammergauer
Passionsspiel trägt seinen Namen auch in diesem Sinne wirklich zurecht.
Hans Hartmann
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